Atlantik-Logbuch 11. bis 16. Tag

11. Tag
In dieser Nacht alle 3 Std. Wachwechsel. Um 4.00 Uhr 2 Lichter am Horizont, ein Frachter in 4 Sm Entfernung, die erste Schiffsbegegnung seit 10 Tagen. Da unser Brot aufgefuttert ist, mische ich in meiner Wache um 5.00Uhr einen Teig für Chiabata Brötchen zusammen und backe das ganze dann um 8.00 Uhr, damit wir mal wieder Brötchen zum Frühstück essen können.

Doch Schreck in der Morgenstunde, kurz vor 10.00 Uhr fällt ein Squall mit 35 Knoten Wind über uns her, der elektrische Autopilot luvt an und blockiert dann das Ruder. Was ist denn jetzt schon wieder? Rasch Autopilot aus, Helmut klemmt das Getriebe ab und schnell steuere ich von Hand wieder vor den Wind damit das ausgebaumte Vorsegel keinen Schaden nimmt. Na super, Autopilot kaputt, bei der Windfahne ist der Zahnkranz beschädigt, heißt das ab sofort von Hand steuern? Na, dann wird’s anstrengend. Aber Gott sei Dank hat Helmut ein Ersatzgetriebe dabei und baut es gleich ein. Gut wenn der Skipper alles kann! Um 11.00 Uhr gibt’s dann Frühstück mit frischen Brötchen, haben wir uns auch verdient. Den ganzen Tag ist der Himmel stark bewölkt, immer wieder Squalls, ein Wetter wie im November auf der Nordsee. Blauer Himmel Passatbewölkung, wo seid ihr? Doch Klaus (DJ3CD) von Intermar macht uns auch keine bessere Vorhersage, Wolkenband und bedeckter Himmel bis in die Karibik, aber beständiger Passat mit bis zu 25 Knoten Wind. Man kann eben nicht alles haben. Klaus hat seine Morgenrunde mit der Wettervorhersage extra wegen uns um 1 Std. auf 9.30 Uhr UTC verlegt, weil vorher das Band noch nicht offen ist und keine Funkverbindung zustande kommt. Auch sind die Funkbedingungen abends um 16.30 Uhr UTC, wenn die Wettervorhersage von Intermar läuft, sehr schlecht je weiter westlich wir kommen. Wir sind Klaus dankbar, dass er sich um 10.30 Uhr deutscher Zeit für uns Zeit nimmt und seinen Vormittag opfert. Etmal 138 sm.

12. Tag
Bei uns wird es nach UTC Zeit erst um 21.30 Uhr dunkel und morgens dafür erst um 9.30 wieder hell, sodass wir unseren Tagesablauf und das Wache so ganz langsam auf die Karibikzeit umstellen müssen. Da der Mond erst gegen 3 Uhr aufgeht, fahren wir doch mit der 3 Farbenlaterne im Topp, damit wir gegebenenfalls von anderen Schiffen gesehen werden. Und tatsächlich hat uns Dieter von der SY Nautica in der Nacht auch ausmachen können. Tagsüber können wir uns nicht sehen, die Entfernungen und der Wellengang ist dann einfach zu hoch. Es ist schon erstaunlich, dass wir trotz unterschiedlicher Besegelung und ohne große Absprache in wenigen Meilen Abstand seit 11 Tagen im Konvoi fahren. Das 3 Std. – Wache gehen schlaucht uns ganz schön, auch tagsüber müssen wir uns immer wieder hinlegen. Außer lesen, Essen herrichten und spülen passiert nicht viel. Da wir uns immer und überall festhalten müssen, ist selbst so was Einfaches wie Frühstücken schon anstrengend. Der Seegang hat etwas zugenommen und die Wellen schauen immer wieder mal von steuerbord hoch an Deck. Natürlich musste mal wieder eine davon über das Frontfenster in der Sprayhood einsteigen und hat auch etwas Wasser auf den Kartentisch und den Laptop gespritzt. Helle Aufregung!!! „Man hat auch keine Freude mehr“, so Helmut. Es ist aber diesmal offensichtlich nichts passiert. Wir wissen auch noch nicht, wie man die ganzen elektronischen Geräte besser schützen könnte. Hab wieder ein Mischbrot gebacken, ist wunderbar aufgegangen, was bei der Temperatur im Salon von 28° nicht verwunderlich ist. Etmal 140 sm.

13. Tag
Die Sonne taucht die Passatwolken in ein glutrotes Licht, der ganze westliche Himmel ist eingefärbt, herrlich, das erste mal ein solcher Sonnenuntergang. Heute Nacht war richtig was los, gleich 2 Frachter auf Gegenkurs zu uns. Es sieht aber so aus, als würden sie immer rechtzeitig einen großen Bogen um uns machen. Find ich prima, denn dann brauchen wir an den Segeln nichts zu ändern. Um 3.00 Uhr kommt denn der abnehmende Mond raus, erleuchtet aber dennoch die Nacht, schöner klarer Sternenhimmel zum träumen. Vertiefe mich wieder in mein Buch „Illuminati“, ein Thriller rund um die Papstwahl mit Bedrohung durch eine satanische Vereinigung, die mit Antimaterie den Vatikan auslöschen will. Irre spannend. Helmut ist mit „Säulen der Erde auch schon fast durch. Schön, das wir jetzt mal Zeit zum lesen haben.
Schöner Segeltag, mit dem Unterschreiten der 500 Meilenmarke haben wir die Karibikeinstimmungsphase mit Reggaemusik aus der Konserve und einem Rum-Punch eingeläutet. Sonne, blauer Himmel, Passatwolken und tiefblaues Wasser unterstützen uns dabei. Etmal 155 sm, es ist der Wahnsinn. Vielleicht haben wir schon am Mittwochabend Landfall. Der Ankerplatz vor St. Anne ist ohne Probleme anzulaufen, Riffe gibt es auch keine. Wir rechnen und zählen die Stunden :-).

14. Tag
Jeder 3. Satz fängt mit: ….. es ist nur noch…. es sind noch soundsoviel Meilen bis …und soundsoviel Stunden… wenn wir dann da sind, dann….. Wir freuen uns schon auf den Landfall und fiebern dem Mittwochabend entgegen. Der Wind hat die ganze Nacht über konstant 25 und in Böen bis 30 Knoten durchgeblasen und uns auf der Welle vor sich hergeschoben. Auch an die heftigen Squalls haben wir uns mittlerweile gewöhnt, für kurze Zeit sieht man dann überhaupt nichts mehr. Ein irres und auch ein wenig beängstigendes Gefühl, ohne irgendetwas zu sehen mit 7 Knoten Fahrt durch Wellentäler und auf Wellenbergen rauf und runter durch die schwarze Nacht zu jagen. Die Zeitverschiebung nach UTC und Ortszeit wird immer größer, nach UTC wird es abends um 22.30 dunkel und auch erst um 10 Uhr hell, ständig rechnen wir, ob wir es denn noch bis zur Dunkelheit schaffen können, den Anker fallen zu lassen. Eine weitere Nacht Geschaukele in Wartestellung vor der Insel bzw. im Lee der Insel Martinique möchten wir eigentlich nicht verbringen. Ich bin ganz begeistert, wie gut die Verproviantierung mit frischem Gemüse und Obst gepasst hat. Es ist so langsam alles aufgebraucht, fast nichts ist schlecht geworden. Die grünen Tomaten haben sich im Kühlschrank in der Dunkelheit der Superfrischebox von Tupperware ganz hervorragend 3 ½ Wochen gehalten. Beim Einkaufen muss man nur darauf achten, dass die Tomaten nicht unterkühlt aus dem Kühlhaus kommen. Jeden 2. Tag ein 500 g Brot zu backen wird schon zur Routine. Man könnte bzw. sollte sicher noch mehr Brot essen, denn es sättigt gut und bei frischem Brot brauchen wir außer Butter nichts weiter drauf. Die aus Obstresten selbst hergestellte Mango-Banane-Orangen-Marmelade ohne viel zusätzlichen Zucker schmeckt ganz vorzüglich aufs Brot.
Im Mittelalter, so haben wir jetzt gelesen, gab es zum Frühstück nur Brot und Dünnbier! ! hört, hört. Etmal 160 sm.

15. Tag
Das fängt ja schon gut an, beim vorbereiten des Abendessens werde ich bei einer heftigen Schiffsbewegung von der Steuerbordseite des Salons nach backbord über den Tisch auf die Salonbank geschleudert, in jeder Hand eine Tomate, die ich eigentlich in das Paprika-Zwiebel Gemüse reinschneiden wollte. Der Schreck sitzt tief, aber wie durch ein Wunder habe ich keine Prellungen. Bei diesem Flug durch den Salon habe ich den Tisch nicht mal berührt, die Antirutschtischdecke liegt unverändert. Es geht eben nicht, eine Hand muss immer zum Festhalten frei sein. Bei dieser Schiffskrängung ist natürlich auch das kochend heiße Wasser für die Makkaroni auf den Salonboden rausgeschwappt. Gut dass ich da nicht gerade vor dem Herd gestanden habe. Jetzt reicht’s mir aber wirklich! Nachdem ich mich wieder etwas beruhigt habe, koche ich aber dann doch die Mahlzeit fertig. Die Wache im 3 Stunden Rhythmus wird anstrengend, da der Wind immer wieder auf 30 Knoten auffrischt und wir dann von Hand steuern müssen, um die Luvgierigkeit des Schiffes auszugleichen.
Habe mich dann nach meiner Wache um 11.00 Uhr vormittags nochmal für 3 Std. schlafen gelegt, die Welle ist moderater geworden und der Wind bläst nur noch mit 15-20 Knoten aus Ost. Nach einem Kaffee, Grießpudding mit Mandeln und Pfirsich aus der Dose und einem Schuss Marsala aus Sizilien geht es uns beiden dann so richtig gut. Blauer Himmel, leichte Passatbewölkung und 30° Lufttemperatur, im Salon sind es 32°, wir „safteln“ so vor uns hin. Bevor sich Helmut zu einem Schläfchen niederlegt, duscht er sich erst mal in der Plicht mit kaltem Wasser ab. „Illuminati“ habe ich nach 3 Nachtwachen durch, ist spannend bis zur letzten Seite. Helmut hat eben die Angel rausgelassen und sich aufs Heck gesetzt um sie zu bewachen, damit uns nicht wieder die Fische durch die Lappen gehen und nur Angelhaken abbeißen. Etmal 162 sm (unsere Spitzenleistung bisher).

16. Tag
Die letzte Abend/Nacht der Atlantiküberquerung, Abendessen Spagetti mit frutti di mare und ein Glas Rotwein. Der Wind hat nachgelassen, eine ruhige Nacht und wir können einigermaßen eingekeilt in unserer Fußbodenkoje schlafen. Zum Morgen hin wird die Nacht nochmal vom abnehmenden Mond hell erleuchtet und zeigt einen sternenklaren Himmel mit dem so oft besungenen *leuchtenden Kreuz* des Südens. Wir shiften den Großbaum, um wieder etwas südlicher vor den Wind zu kommen und schalten die Maschine zum Batterieladen und zum Geschwindigkeit halten dazu. Der GPS zeigt immer, je nach Geschwindigkeit wechselnd, nur noch 10 Std., nur noch 16 Std., nur noch 12 Std. bis zum Eintreffen. Wir sind angespannt und suchen am Horizont nach Land. Nichts, obwohl nur noch 19 Meilen bis zum Leuchtturm. Das kann doch gar nicht sein, ist es denn heute so diesig, so wenig Sicht. Plötzlich „Lachen“ von Achtern, ich erschrecke, ein Möwenpärchen zieht seine Kreise und „lacht“, es hört sich jedenfalls so an. Ein Katamaran zieht in 1 Meile Entfernung an uns vorbei.
Jetzt kann es doch nicht mehr so weit sein! 17.10 Uhr UTC Funkrunde mit Intermar, alle beglückwünschen uns schon zur Atlantiküberquerung, da sehe ich endlich Land. „Land in Sicht, Land in Sicht.“ Intermar ist immer live dabei. Wer zuerst Land sieht, hat sich ein Bierchen verdient! Auf Kanal 72 rufen wir die Carpe Dieme, die auf der Reede vor St Anne liegt und Gerdi meldet sich prompt. Wir sind schon so nah, dass wir sie über UKW-Funk erreichen können.  Das Leuchtfeuer und die ersten weißen Palmenstrände mit dem türkisblauen Wasser liegen an steuerbord in der Abendsonne. Der Anker fällt nach 2207 sm um 20.45 Uhr UTC. Den Sonnenuntergang genießen wir bereits bei einer Pina Colada mit Gerdi und Ulli auf der SY Carpe Diem. Etmal 146 sm + 17 sm in 3 Std. Nach 2207 Seemeilen fällt der Anker in auf der anderen Seite des großen Teichs.
Dieses Erlebnis, den Atlantik zu zweit überquert zu haben, werden wir so schnell nicht vergessen. Weshalb eigentlich, was ist das Besondere an einem solchen Törn?

An Bord herrscht eine scheinbar eintönige Bordroutine, die nur unterbrochen wir von kleinen Desastern, gebrochenes Genuafall, nicht funktionsfähige Windsteueranlage, blockiertes Ruder durch Ausfall des Motors der elektrischen Selbststeueranlage, Salzwasser auf den Polstern durch undichte Luken, übergeschwappten Kaffee auf dem Teppichboden im Salon usw.. Um uns herum nur Wasser bis zum Horizont und darüber ein bedeckter Himmel, durch den ab und zu mal die Sonne hindurchschaut. Wie zu Hause und doch ganz anders. Aber nicht der Himmel ist es, sondern wir sind es. Zum einen weil die Zeit ihren Charakter verliert, wen kümmert es, ob wir einen, zwei oder drei Tage früher oder später ankommen? Und weil unser Schiff so unsagbar klein erscheint in dieser Wasserwüste, der wir gänzlich ausgeliefert sind. Darum lauschen wir mit bangem Herzen der Stimme der Natur, wird sie uns wohl gesonnen sein, wird sie Sturm und Seegang ein wenig dämpfen, damit uns die Kraft nicht ausgeht. Wir wollen sicher fahren aber zugleich auch rasch vorankommen. Auf dieser Grenze bewegen wir uns und schärfen unsere Sinne an der Natur.

In 16 Tagen den Atlantik bezwungen – Wir sind stolz auf uns –

Atlantik-Logbuch 6. bis 10. Tag
Martinique
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