Auf dem Muli durch die Anden

Morgens um 6.30 Uhr stehen Helmut und Axel am Eingang zur Teleférico parat, um Karten für die erste Bahn zu bekommen, denn morgens früh sind die Chancen für eine wolkenfrei Aussicht am besten. Die Teleférico ist die längste (12.5 km) und höchste Seilbahn der Welt, sie befördert uns über 4 Stationen hinweg von 1650 m bis auf den Pico Espejo mit 4765 m.

Ein sprichwörtlich „atemberaubendes“ Erlebnis mit fantastischer Aussicht über die gesamt Region. Gleich nebenan liegt der Pico Bolivar mit 4980 m, ein wenig mit Schneefeldern bedeckt. Im höchsten „coffee shop“ der Welt nehmen wir unser 2. Frühstück ein, eine nahrhafte Pizca Andina, das ist eine typische Anden Milchsuppe mit Ei, Kartoffeln, Lauch, frischem Koriander und Käse.

Ab da geht es dann nur noch abwärts, erst mit der Gondel bis zur Station Loma Redonda auf 4045 m und dann geht die Gaudi erst richtig los. 4 ½ Stunden tragen uns die Mulis geduldig und mit einer schlafwandlerischen Trittsicherheit die steilen schmalen Bergpfade am Abgrund entlang nach Los Nevados. Renate ist es bei ihrer zeitweiligen Höhenangst ganz schön mulmig und sie hat sich immer wieder gesagt, der Muli geht den Weg 2 mal am Tag, der wird schon wissen, wo er gehen muss und die anderen Touristen haben den Ritt ja auch überlebt. Das Gepäck ist auf einem Muli festgezurrt und die Führer laufen, die wissen schon warum. Nach diesem Ritt tut uns so ziemlich alles weg, der Allerwerteste ganz besonders.

n Los Nevados ist die Zeit offensichtlich stehen geblieben, man lebt von der Vermietung von Unterkünften (Posadas) und von dem, was hier angebaut wird. Zum Hausbau wird alles verarbeitet, was es hier gibt, die Dächer werden mit Bambusstangen zu den Wohnräumen hin isoliert, das hält in der kühlen Jahreszeit warm und in der Mittagshitze kühl. Die Posadas sind einfach, aber sauber. Am Abend bekommen wir ein leckeres typisches Landesessen, die andinische Milchsuppe, Hühnchen mit Reis und Salat, dazu frisch gepressten Maulbeersaft und zum Abschluss cafe negro. Hier geht man früh zu Bett, um wenig Energie zu verbrauchen. Glasfenster gibt ebenfalls keine, die Fensteröffnung wird mit Holzläden verschlossen, wenn man morgens Licht braucht, dann ist eben das Fenster offen und es weht ein kühler Andenwind ins Zimmer. Das kann auf 2500 m Höhe schon mal empfindlich kalt sein. Auf dem aus Stein gebauten Bett mit Schaumstoffmatratze schlafen wir dann mit 2 Wolldecken zugedeckt und zusammen gekuschelt tief und fest. In dieser Höhe gibt es keinen störenden Lärm.

Das reichhaltige Frühstück mit Rührei, Speck, Tomaten, frisch gepresstem Saft, frischem Brot und Kaffee ist einfach toll, besser als das in der Nobelherberge Los Frailes. Beim Bezahlen können wir es fast nicht glauben, dass alles zusammen, Abendessen, Zimmer und Frühstück für 2 Personen tatsächlich nur 120.000 Bs= 40€ kostet.

Die 4 stündige Rückfahrt mit dem Geländejeep ist dann aber wirklich abenteuerlich. Der erdige, nur an manchen Stellen mit Steinen befestigte Weg ist dermaßen ausgewaschen, dass er bei uns noch nicht mal als Flusslauf genehmigt würde. Das extreme Gefälle bzw. die beängstigenden Steigungen und Haarnadelkurven fordern vom Fahrer höchste Aufmerksamkeit und Fahrkunst. Da der Weg gerade mal so schmal ist, wie der Jeep breit ist, muss bei Gegenverkehr oft in die wenigen Ausweichstellen zurückgesetzt werden, das tötet den Touris den letzten Nerv, unsere auch. Doch die Jeepfahrer halten dann an der Begegnungsstelle erst mal ein Schwätzchen und tauschen die Neuigkeiten aus, denn eine Tageszeitung gibt’s in Los Nevados nicht. Wir sind sehr froh, dass wir einen umsichtigen Fahrer haben, der uns material- und personenschonend sicher nach Merida zurückbringt. Markus hatte gesagt: „Da muss man schon einen guten Fahrer und einen Jeep mit guten Bremsen nehmen und vielleicht auch etwas mehr zahlen, wenn man heil da herunterkommen will.“

Nachdem wir diese 4 Std. durchrütteln hinter uns gebracht haben, ein zweites Mal müssen wir uns das nicht antun, verbringen wir noch einen schönen Abend am Parque de las Heroinas gegenüber unserer Posada, wo die venezuelanischen Familien ihren Sonntag feiern. Wir mischen uns unter die überwiegend jungen Leute, 50 % der Venezuelaner sind unter 18 Jahre alt. Wir probieren die gegrillten Fleischspieße, Empanadas, Erdbeeren mit Sahne und leckeren Biskuitsahnekuchen, alles wird einfach so an kleinen Ständen rund um den Plaza angeboten.

Merida – Venezuela
Kuna Yale
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